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Agiles Produktmanagement soll Risiken minimieren und Fehlinvestitionen vermeiden, indem das Produkt schneller an den Markt angepasst wird. Doch wie kann man den Erfolg von Produkt- und Prozessanpassungen innerhalb des agilen Produktmanagements, im Besonderen beim Einsatz von Scrum, messen und evaluieren?
Das agile Produktmanagement entstand mit dem Ziel, komplexe Software effizient und nachhaltig (weiter-)entwickeln zu können. Die Grundlage ist die Wandlung von einem Projekt-Mindset zu einem Produkt-Mindset. Beim Projekt-Mindset wird von innen nach außen gedacht. Das heißt Umfang (Scope), Budget und Zeithorizont definieren den Projektablauf und auch die Erfolgsmessung des Projekts. Beim Produkt-Mindset, hingegen, wird von außen nach innen gearbeitet. Dies bedeutet, dass unter anderem Kundenadaption, Umsatz oder Kostenersparnis pro Feature den Scope, das Budget und den Zeitablauf bestimmen und der Erfolg am Produkt gemessen wird. Im Rahmen des Fokus auf Produkt und Kunden werden häufigere Releases eingesetzt, um schneller Kundenfeedback zu erhalten. Die Kommunikation und Planung fokussieren sich auf die Ziele für das Produkt und den Sprint, nicht auf die konkrete Ausführung. Die Entwicklungsteams führen die Planung der Umsetzung iterativ in kurzen Zeithorizonten selbstständig durch und tragen damit mehr Verantwortung für ihre Arbeit. Somit wird weniger langfristig in einzelnen Aufgaben vorgeplant, wodurch überflüssige Arbeit eliminiert werden kann.
Basis des Erfolgs des agilen Produktmanagements im Scrum-Framework ist Empirie - also die Erforschung und Sammlung von Informationen zur Überprüfung von Hypothesen durch direkte Beobachtung und Messung.
Um die Komplexität der Hypothesenüberprüfung und damit Produktentwicklung handhabbarer zu machen, wird innerhalb der agilen Produktentwicklung in einem Iterativen, zyklusartigen Ablauf gearbeitet, mit kurzem Planungshorizont, kleinen Entwicklungsschritten und der kontinuierlichen Überprüfung der Hypothesen durch Präsentation vor Stakeholdern und Einholen von Markt-Feedback.
Die Empirie bildet die Grundlage für das Evidence-Based-Management (EBM). Bei diesem werden Managemententscheidungen durch das Sammeln, Analysieren und Verwenden von relevanten Daten und empirischen Erkenntnissen getroffen, anstatt sich ausschließlich auf Meinungen, Annahmen oder Erfahrungen zu verlassen. Das evidenzbasierte Management basiert auf dem gleichen Konzept wie die evidenzbasierte Medizin, bei der medizinische Entscheidungen auf der Grundlage von wissenschaftlichen Beweisen getroffen werden.
Ein wichtiger Aspekt des agilen Produktmanagements ist die regelmäßige Validierung, also Überprüfung und Neubewertung aller Produkt- oder Servicefeatures und Entwicklungsmaßnahmen. Dabei wird zwischen Prozessvalidierung und Produktvalidierung unterschieden. Erstere beschreibt die Inspizierung und Adaption wie das Team arbeitet, in Scrum innerhalb der Retrospektive, während Zweitere für das Inspizieren und Adaptieren des durch das Team entwickelten Produkts oder Services steht. Innerhalb Scrum erfolgt die Inspektion des Produktes primär direkt am Ende eines jeden inkrementellen Entwicklungszyklus, im Rahmen der Sprint Reviews. Ergänzend sollte nachgelagert Markt- und Kundenfeedback eingeholt und evaluiert werden.
Im Rahmen der Validierung werden fortwährend Business-Annahmen überprüft, indem kontinuierlich das Markt-Feedback aufgenommen und auswertet wird, um die zuvor gebildeten Hypothesen zur Produktentwicklung zu prüfen. Die Hypothesen sind dabei die Annahme, dass ein bestimmtes Feature zu einem bestimmten Ergebnis führt.
Die Präsentation von entwickelten Funktionen vor Stakeholdern bzw. deren Vertretern, zum Beispiel im Rahmen von Sprint-Reviews, ist zwar die schnellste Art der Validierung, um jedoch möglichst effektiv zu sein, sollte die Validierung am eigentlichen Markt oder in Simulationen, so nah wie möglich am Kunden, stattfinden. Dies kann durch Experimente erreicht werden, zum Beispiel Usability-Tests durch Beobachtung von Nutzern, A/B-Testing, also der Veröffentlichung neuer Features in verschiedenen Varianten an bestimmte Nutzergruppen, oder der Auswertung von Social-Media-Analysen.
Um möglichst schnell validierbare Ergebnisse zu produzieren, kann ein Minimum Viable Product (MVP) entwickelt werden. Beim MVP, wörtlich „minimal brauchbares oder existenzfähiges Produkt“, wird nicht erst das voll ausgereifte Produkt oder der voll ausgereifte Service entwickelt, sondern, für eine möglichst schnelle Validierung, eine ggf. stark abgespeckte Variante. Zu Gunsten der schnelleren Validierbarkeit wird, bis zu einem gewissen Grad, bewusst in Kauf genommen, dass Funktionalitäten ggf. noch simuliert oder technisch unausgereift implementiert und später nochmals umgebaut werden. Auch die generelle technische Machbarkeit von Features kann auf diese Weise zeitnah überprüft werden.
Es gibt verschiedene Typen und Beispiele von MVPs. Diese werden in der nachfolgenden Grafik kurz erläutert :
Aufbauend auf der Validierung erfolgt eine stetige Anpassung der Entwicklungsarbeiten und deren Priorisierung. Dies stellt sicher, dass kontinuierlich der Kunden-, Anwender-, oder Unternehmensnutzen maximiert wird.
Um Features und Entwicklungsmaßnahmen überhaupt bewertbar, vergleichbar und ihren Erfolg leichter überprüfbar zu machen, wird der Wert als Bewertungssystem eingeführt. In Scrum bezieht sich der Wert hauptsächlich auf den Nutzen oder den Mehrwert, den ein Produkt, eine Funktion oder ein Arbeitsergebnis für den Kunden, den Benutzer oder das Unternehmen bietet. Er steht im Mittelpunkt des Entwicklungsprozesses, und das Ziel der Entwicklung besteht darin, kontinuierlich „wertvolle“ Ergebnisse zu liefern.
Im Rahmen des evidenzbasierten Managements werden zur Messung des Wertes, also des Erfolgs von neuen Produkteigenschaften oder Prozessanpassungen, im Rahmen der Produktentwicklung vier Säulen betrachtet:
Diese Säulen zeigen an, wie das Produkt oder der Service am Markt performt bzw. wie ein neu entwickeltes Feature von den Kunden angenommen wird. Das bedeutet über die Säulen wird der Erfolg von Produkt-, Service- und Prozessanpassungen definiert.
Die oben angegebenen beispielhaften Messgrößen zu den einzelnen Variablen werden im Folgenden näher erläutert.
Der Net Promoter Score (NPS) ist eine Kennzahl, die angibt, wie wahrscheinlich es ist, dass Kunden das Produkt oder die Dienstleistung eines Unternehmens weiterempfehlen würden. Der NPS kann im Rahmen von EBM und Scrum genutzt werden, um Feedback von Kunden zu erhalten und zu verstehen, wie zufrieden sie mit dem Produkt oder der Dienstleistung sind. Dieser Indikator ermöglicht es dem Entwicklungsteam schnell auf Rückmeldungen zu reagieren und das Produkt oder die Dienstleistung zu verbessern.
Das Marktpotenzial gibt an, wie groß der Markt für ein Produkt oder eine Dienstleistung ist. Die Kennzahl deutet auf das nicht genutzte Potenzial im Markt hin. Es ist wichtig, das Marktpotenzial im Rahmen von EBM und Scrum zu berücksichtigen, da dies dazu beitragen kann, die Priorisierung von Funktionen und Anforderungen zu erleichtern. Indem das Team das Marktpotenzial versteht, kann es sicherstellen, dass es sich auf die Umsetzung von Funktionen konzentriert, die den größten Wert für Kunden und Stakeholder bieten.
Die Anzahl der Versionen (eines Produktes) am Markt gibt an, wie oft das Produkt aktualisiert oder verbessert wird und wie schnell neue Funktionen oder Änderungen den Kunden zur Verfügung gestellt werden. Diese Kennzahl ist ein Indikator sowohl für die Innovationsfähigkeit eines Unternehmens, als auch für die Markteinführungszeit. Die reine Anzahl der Versionen am Markt allein ist jedoch nicht immer aussagekräftig. Es ist auch wichtig, die Qualität der Versionen, die Akzeptanz der Kunden und andere relevante Metriken zu berücksichtigen, um ein umfassendes Bild der Produktentwicklung und -lieferung zu erhalten.
Die Höhe der technischen Schuld bezieht sich auf die Menge an zusätzlichem Aufwand, der benötigt wird, um ein Produkt oder einen Service in der Zukunft zu warten oder weiterzuentwickeln. Zu schnelle oder unvollständige Lösungen im Entwicklungsprozess können zu einer hohen technischen Schuld führen, welche den Fortschritt des Softwareentwicklungsprojekts behindert, indem es Ressourcen für Wartung statt Innovation bindet.
Agiles Produktmanagement entgegnet der Komplexität der Produktentwicklung mit einem inkrementellen Entwicklungsansatz, zum Beispiel durch Nutzung des Scrum-Frameworks, mit kurzen Planungs- und Entwicklungshorizonten. Es fokussiert sich auf den Wert, den ein Produkt oder Service für seine Nutzer hat. Maßgebend sind empirische Erhebungen, die die in der Entwicklung aufgestellten Hypothesen über das Produkt möglichst schnell, zum Beispiel mittels eines MVPs testen. Das evidenzbasierte Management validiert diese Hypothesen mit verschiedenen Messgrößen aus der Interaktion mit dem Markt. Auf Basis dieser Validierung wird die weitere Produktentwicklung adaptiert.
Schlussendlich ist festzuhalten: Scrum ist ein Prozess des kontinuierlichen Lernens. Die schnelle Adaption an die Anforderungen des Marktes durch stetige Releases und konstante Evaluation, kann helfen, der immer weiter zunehmenden Geschwindigkeit in der Industrie 5.0 gerecht zu werden.
Literatur:
McGreal D., Jochen R.: The Professional Product Owner, Leveraging Scrum as a Competitive Advantage. 2018.
Disclaimer: Für die Recherche dieses Artikels wurde unterstützend auch Chat-GPT eingesetzt.